Die erste Erwähnung findet die Craniosacral-Therapie durch den amerikanischen Osteophaten Dr. William Sutherland. Er entdeckte zu Anfang des zwanstigsten Jahrhunderts, dass die Schädelknochen nicht starr sind so wie es die Schulmedizin lehrt, sondern zueinander beweglich sind. Sein Ansatz der craniosacralen Osteopathie wurde von Dr. John Upledger weiterentwickelt, der in den 1970er Jahren die craniosacrale Therapie begründete. In Abgrenzung zu der auch als "biomechanisch" bezeichneten Craniosacral-Therapie entstand die "biodynamische" Form der Craniosacral-Therapie, deren wichtigste Wegbereiter Pioniere wie Dr. Rollin Becker, Franklyn Sills und James Jealous waren.
Unterschied "Biomechanik" und "Biodynamik" (nach Michael Kern, 2011)
In der "biodynamischen" Form der Craniosacral-Therapie liegt der Fokus auf dem Ausdruck der Gesundheit im Körper. Sie arbeitet mit den inneren Kräften, die unser "Funktionieren" bestimmen. Im Gegensatz dazu richtet die "Biomechanik" ihr Augenmerk stärker auf die Ergebnisse oder Folgen dieser organisierenden Kräfte (z.B. Gewebespannungen im Körper), anstatt sich direkt auf die dahinter liegenden Kräfte selbst zu beziehen. Biomechanisch arbeitende TherapeutInnen setzen relativ aktive Behandlungstechniken ein, während sich die "BiodynamikerInnen" vom körpereigenen Gesundheitsplan leiten lassen und nicht selbst entscheiden, wie die Behandlung zu verlaufen hat. Man könnte sagen, dass biomechanische Behandlungen eher von außen nach innen ablaufen, während biodynamische Behandlungen von innen nach außen wirken.
„Gesundheit zu finden ist Aufgabe des Arztes. Krankheit kann jeder finden.“ Andrew Taylor Still, Begründer der Osteopathie
Prinzipien der craniosacralen Biodynamik
Die Strukturen Die Haupt-Bezugspunkte in der craniosacral Behandlung sind der Schädel (lat. Cranium) und das Kreuzbein (lat. Sacrum). Diese beiden Knochenstrukturen stehen durch ein Flüssigkeitssystem miteinander in Verbindung: Unsere Schädelknochen sind innen mit 2 Schichten von Gehirnhäuten ausgekleidet (Feste und weiche Hirnhaut, lat: Dura Mater und Pia Mater). Zwischen diesen Membranen befindet sich eine Flüßigkeit, der Liquor, der in den Gehirn-Ventrikeln gebildet wird. Die Hirnhäute umgeben also das Gehirn und erstrecken sich auch durch die gesamte Wirbelsäule, wo sie das Rückenmark umgeben, biz zum Sacrum. Die Flüßigkeit zwischen den Membranen - der Liquor - pulsiert in wellenartigen Rhythmen, die durch die craniosacrale Berührung spürbar werden.
Primäratmung Die wellenartigen Bewegungen des Liquors, die als auf- und absteigende Strömungen spürbar sind, werden auch als Inhalation und Exhalation, also Aus- und Einatmung, bezeichnet. Da diese Art der Atmung schon vor der Lungenatmung im Körper ist, wird sie auch "Primäratmung" genannt. Bei der Einatmung (Inhalation) strömen die Flüßigkeit im Körper nach oben und die Körperstrukturen weiten sich und beschreiben eine auswärts Rotation. Es fühlt sich an als würden sich Arme und Beine nach außen aufdrehen und als würde der Kopf breiter werden. Bei der Ausatmung (Exhalation) streckt sich der ganze Körper, der Flüßigkeitsstrom fließt nach unten und die Extremitäten drehen sich wieder nach innen.
Die "Tides" Die craniosacrale Biodynamik zeichnet sich durch ihre Arbeit mit verschiedenen Rhythmen oder Strömungen im Körper aus. Gemäß der Biodynamik zeigt sich der Lebensatem (Breath of Life) im Körper in wellenartigen Rhythmen, die sich als feine, willensunabhängige Bewegungen der Flüssigkeiten und Gewebe präsentieren (Kern, 2011). Die Rhythmen des Breath of Life laufen in Zyklen ab, die sich durch zwei Bewegungsphasen auszeichnen, die man sich als „Einatmung“ und „Ausatmung“ vorstellen kann. Diese Phasen werden als Primäre Inhalation und Primäre Exhalation bezeichnet (primär, weil sie vor der Lungenatmung da sind). In der Inhalationsphase läuft eine feine Bewegung in den Flüssigkeiten und Geweben ab, die im Innersten des Körpers nach oben steigt und den Körper zu einer Ausdehnung bringt. Die Exhalationsphase ist eine Bewegung, die in die unteren Teile des Körpers zurückweicht und eine Verschmälerung bewirkt. Der gesamte Ablauf orientiert sich an der Mittellinie des Körpers. Die Kombination aus einer Inhalations- und einer Exhalationsphase bezeichnet man als Zyklus (nach Kern, 2011). Aus dem innersten Kern unseres Seins entspringen aufeinanderfolgende Rhythmen, die zu einem ganzen System primärer Respirationsbewegungen führen. Die Rhythmen drücken Inhalations- und Exhalationsphasen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus und werden als „Gezeitenströmungen“, oder sogenannte Tides bezeichnet (Kern, 2011). Die Rhythmen entwickeln sich einer aus dem anderen. Der Ursprung jeder Bewegung (und damit jedes Lebens) ist die sogenannte „Dynamische Stille“. Sie bezeichnet eine Art tiefste Quelle, einen Zustand reinem Seins und der Stille in unserem Innersten, aus der der Lebensatem entspringt. Aus diesem Atem geht die Longtide hervor, eine universale Kraft, die sich mit einer Frequenz von 100 Sekunden um/ durch den Körper spiralisiert. Aus der Longtide entwickelt sich die Midtide, die mit einem Rhythmus von 12 Sekunden durch den Körper strömt (24 Sekunden pro Zyklus). Die Midtide ist die Antriebskraft für den Cranialen Rhythmischen Impuls (C.R.I), der der Ausdruck des Lebensatems auf körperlicher Ebene ist. Bei der Übertragung des Lebensatems auf den Körper entsteht eine leicht schaukelnde Bewegung der Flüssigkeiten, Knochen, Membranen und Organe. Einzelne Gewebsstrukturen schaukeln sanft wie Boote auf der Wasseroberfläche (Kern, 2011). Diese Bewegung findet mit einer durchschnittlichen Frequenz von acht bis zwölf Zyklen pro Minute statt, also dauert ein Zyklus ca. 5-7 Sekunden.
Michael Kern 2011: "Die biodynamische Craniosacral-Therapie ist in der praktischen Umsetzung im Prinzip simpel. Es geht darum, wie wir der Weisheit, die in unserem tiefsten Inneren existiert, zuhören und sie dabei unterstützen können, eine ausgeglichene Bewegung und die Gesundheit im Leben wiederherzustellen. Der craniosacrale Ansatz ist ein einfühlsames und kraftvolles Instrument, weil er zu den innersten Schichten der Gesundheit Kontakt aufnimmt. Er ist ein Erkunden der Essenz von Heilung, ein Erkunden, das das Potenzial besitzt uns zu den tiefsten Wurzeln unseres Seins zu führen."